Wir sind hier, zum Streiken, nicht zum Kleben

Rede zum Bahnstreik am 29.03.2023 in Halle

Einige Beschäftigte denken vielleicht: Warum kommt die Klimabewegung zum Streik der EVG?  Sind das nicht die, die sich auf die Straße kleben und die Leute auf ihrem Weg zur Arbeit blockieren? Nein, solche sind wir nicht. Auch wenn es vielleicht gut gemeint sein mag, von solchen Aktionen halten wir von Klima und Klasse nichts, weil sie viel zu oft die Falschen treffen. Statt willkürlich Menschen, die in ihrem Alltag z.B auf dem Weg zur Arbeit, während ihrer Arbeit oder in ihrer Freizeit mit dem PKW unterwegs sind zu behindern, müssen wir für Angebote sorgen, die einen Umstieg vom Auto auf die Schienen-, den Bus- und Bahnverkehr attraktiver und gangbar machen. 
    
Als Klimaaktivist:innen sind wir für eine soziale und ökologische Verkehrswende. Denn klar ist, wir brauchen einen guten und attraktiven Nah- und Fernverkehr. Bessere Anbindung, Ausbau des Netzes und der Infrastruktur, höhere Taktung, günstigere Preise und mehr Busse und Bahnen. Aber das darf niemals auf dem Rücken der Beschäftigten passieren. Die Verkehrswende kann und darf nicht auf die Kosten der Bus- und Bahnfaher:innen, der Zugbegleiter:innen und Lokführer:innen gehen.


Will man eine echte Verkehrswende durchsetzen, braucht es vor allem mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen. Es darf nicht auf Lasten derer gehen, die tagtäglich die Menschen von A nach B bringen und über die Schiene miteinander verbinden. Einige Beschäftigte haben bereits mit uns über ihre Arbeitsbedingungen gesprochen. Die unbequeme Schichtarbeit, die schlechte Bezahlung, die Überlastung durch das 9-Euro-Ticket und die Arbeitsbedingungen unter den Bedingungen der Pandemie haben vielen von ihnen zugesetzt. Immer mehr Übergriffe auf das Zugpersonal, schwer zu meisternde Hitzewellen – wo wir auch wieder beim Thema Klima sind. Und was macht das Management währenddessen? Die gönnen sich satte 14% Entgelterhöhung und wollen euch mit lächerlichen 5%, und das über 27 Monate abspeisen. Wir finden, dass das ist eine bodenlose Frechheit ist.

Ob Nah- oder Fernverkehr: die Kolleg:innen pfeifen aus dem letzten Loch

Bei den Kolleg:innen im Nahverkehr sieht es nicht besser aus: Chronischer Geld- und Personalmangel, geteilte Dienste, das heißt 4 Stunden morgens und dann nochmal 4 Stunden am Abend, zwischendurch werden sie nicht bezahlt und wenn man außerhalb wohnt, dann sitzt man unbezahlt auf Arbeit fest. Kurze Schichtwechsel, Schmerzmittel um auf Arbeit zu „funktionieren“: Es fehlt an allen Ecken und Enden. In Erfurt hat ein Busfahrer zu uns gesagt: „Wir sind von Beruf aus Klimaschützer! Aber wir können unseren Beruf nicht ausführen“; denn die marode Infrastruktur, die stagnierenden Löhne und die Arbeitsbelastung führt dazu, dass viele Kollegen:innen aus dem letzten Loch pfeifen. So geht man generell nicht mit Beschäftigten um, aber vor allem nicht mit denen, die so dringend für eine ökologische Verkehrswende benötigt werden.  Denn: Eine Verkehrswende, die wir im Kampf gegen den Klimawandel zwingender Weise brauchen, darf nicht an den Beschäftigten vorbei durchgeprügelt werden. Mehr noch: Sie kann auch nur durch die Beschäftigten vorangebracht, gestaltet und erkämpft werden.


Schon am 3. März sind in 6 Bundesländern die Kollegen:innen im ÖPNV zusammen mit Klimaaktivist:innen und ver.di auf die Straße gegangen, um für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Und auch heute wird überall im Land, vielerorts zusammen mit Beschäftigten im ÖPNV, dem Fern- und Regionalverkehr gestreikt und das erneut zusammen mit der Klimabewegung. Wir finden es super, dass sie sich zusammenschließen, super, dass sie kampfbereit sind und super, dass sie streiken! Sie alle haben unsere volle Solidität! So muss das sein, so geht das und wir hoffen, da wächst in Zukunft noch viel mehr zusammen, was zusammengehört.

Branchenübergreifende Solidarität eine echte Verkehrswende

Und eigentlich geht es ja sogar noch weiter: Die von Entlassungen bedrohten Kollegen:innen in der Autoindustrie wie bei GKN Zwickau-Mosel oder in der Stahlindustrie oder im Waggonbau bei Alstrom in Henningsdorf, Bautzen und Görlitz, die sich seit Monaten im Abwehrkampf befinden und versuchen, die letzten Zug- und Bahnproduktionsbetriebe im Land zu erhalten. Auch sie müssen Teil eines branchenübergreifenden Kampfes – Teil einer Verkehrswende sein. Klar brauchen wir weniger Autos. Aber was soll eigentlich mit den Menschen, die in der Automobilbranche arbeiten, passieren? Sollen sie alle arbeitslos werden? Nein! Auch sie haben ein Recht auf gute Arbeit. Auch sie brauchen wir, für eine echte Verkehrswende. Sie sollen statt PKWs, Luxusautos und die fälschlicherweise als ökologisch betrachteten E-Autos, Busse, Bahnen, Waggons und Schienen bauen dürfen, die wir für ein gutes Verkehrssystem benötigen. Sie müssen sich weiterqualifizieren können und keinesfalls durch das soziale Netz fallen.

Aber man bekommt nichts geschenkt. Dennoch haben wir einen entscheidenden Vorteil: Wir sind mehr, wir können uns zusammentun – Beschäftigte in verschiedenen Branchen und die Klimabewegung – wenn wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und kampfbereit sind, sind wir stärker und können gewinnen. Höhere Löhne, um den wahnwitzigen Preissteigerungen angesichts der Inflation gerecht zu werden, bessere Arbeitsbedingungen und ein ökologischeres Verkehrssystem. All das können wir gemeinsam erkämpfen. Wir dürfen uns keine Mogelabschlüsse unterjubeln lassen, so wie bei der Post. Da stimmen 85,9% für einen unbefristeten Streik und trotzdem werden in der Tarifkommission plötzlich rote Linien aufgegeben und man macht gemeinsame Sache mit den Arbeitgeber:innen. Das darf nicht sein! Wir sagen, nur zusammen, nur durch Solidarität mit allen Streikenden, können wir wirklich etwas erreichen. Alle, die dieses Land mit ihrer Arbeit täglich am Laufen halten, vom öffentlichen Dienst, über Krankenhäuser, dem Nah- und Fernverkehr bis zu den Streikenden in Frankreich, die sich der unsozialen und arroganten neoliberalen Politik der Regierung Macrons widersetzen – ihnen allen stehen wir zur Seite. Der Streik ist weder „völlig überzogen“, noch wird das „Streikrecht inflationär benutzt“ – Streik ist und bleibt ein legitimes Kampfwerkzeug aller Beschäftigten.

Wenn ihr die Arbeit niederlegt, steht das Land still. Lasst uns also mutig sein

Lasst uns also mutig sein. Zusammen, als Beschäftigte und Klimabewegung, mit Gewerkschaften, die sich der Stärke ihrer Mitglieder bewusst sind. Wenn die Beschäftigten die Arbeit niederlegen, dann steht fast das ganze Land still und das haben sie am 03.03. ebenso wie am 29.03. bewiesen. Einen Streik wie, den der Beschäftigten und der EVG hat es zuletzt Anfang der 1990er gegeben und davor haben die Unternehmer:innen und die politische Elite Angst. Sie versuchen das Streikrecht anzugreifen und sprechen von politischem Streik, wenn Klimaaktivist:innen sich mit streikenden Beschäftigten solidarisieren. Das zeigt: Streiken wirkt! Die Beschäftigten können sich dessen sicher sein und sollten sich nicht einschüchtern lassen. Sie können mutig in den Kampf für einen echten Inflationsausgleich gehen und für einen Ausbau der Infrastruktur. Wir von der Klimabewegung sind an ihrer Seite, denn ihre Jobs sind unser aller Zukunft!

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