#wirfahrenzusammen in Jena

Ein Bericht zum Austausch mit Beschäftigten und Fahrgästen des Jenaer ÖPNVs im Rahmen der bundesweiten TV-N Kampagne #wirfahrenzusammen

Raus zum Klima- und ÖPNV-Streik

Zum Klimastreik am 03.03.2023 sind in insgesamt sechs Bundesländern zahlreiche Klimaaktivist:innen gemeinsam mit Beschäftigten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und ver.di auf die Straße gegangen, um für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu kämpfen. Auch wenn in Thüringen nicht im ÖPNV gestreikt wurde, haben wir von Klima und Klasse zusammen mit weiteren Aktivist:innen der #wirfahrenzusammen-Kampagne in Jena die Zeit genutzt und waren unterwegs, um mit Beschäftigten der Jenaer Verkehrsbetriebe (Jenah) und Fahrgästen ins Gespräch zu kommen.

Sorgenkind ÖPNV – was gut für die Beschäftigten ist, ist gut für die Mobilitätswende

Jahr für Jahr muss das Argument, die kommunalen Kassen sind klamm, herhalten, um die chronische Unterfinanzierung und den Personalmangel im ÖPNV zu rechtfertigen. Zusätzlich zu den schlechten Arbeitsbedingungen kämpfen die Beschäftigten seit Jahren mit zu niedrigen Löhnen. Mit der aktuell hohen Inflation und überall steigenden Lebenshaltungskosten verschärft sich die Situation für sie immer weiter, aufgrund des tatsächlichen Reallohnverlustes.

Im kommenden Jahr steht die bundesweite Tarifrunde im Nahverkehr (TV-N 2024) an. Wir wollen die Bus- und Bahnfahrer:innen in ihrem Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen unterstützen, da wir finden, die Forderungen der Beschäftigten sind mehr als gerechtfertigt. Außerdem ist klar: Eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Mobilitätswende kann nur mit ihnen und niemals gegen sie gelingen. Sie sind im wahrsten Sinne Klimaschutzarbeiter:innen. Deshalb suchen wir, wie viele andere Aktivist:innen der Klimabewegung in zahlreichen deutschen Städten, in der kommenden Tarifrunde im ÖPNV den Schulterschluss mit den Beschäftigten.

Seit Jahren wird der Verkehrssektor in der bürgerlichen Presse als das klimapolitische Sorgenkind der Bundesregierung bezeichnet – ganz so, als hätte man die Verkehrspolitik, die Stadt- und Wegeplanung nicht wissentlich jahrzehntelang primär auf den motorisierten Individualverkehr und die Interessen der Autokonzerne ausgerichtet. Eine Abkehr von der fossil-kapitalistischen Infrastruktur ist dadurch nicht ohne weiteres möglich. Der kaputt gesparte ÖPNV lässt sich allerdings nicht nur verkehrspolitisch begründen. Stattdessen reiht sich der Sektor in eine Reihe von unterfinanzierten Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge ein, in denen es in den letzten Jahren und Monaten ebenfalls verstärkt zu Tarifkämpfen gekommen ist. Man denke dabei beispielsweise an die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich: Während Corona noch als Held:innen gefeiert, hat sich diese Anerkennung weder in substanziell höheren Löhnen noch einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen niedergeschlagen.

Für die Demokratisierung und öffentliche Finanzierung des ÖPNVs

Das Festhalten an der “Schwarzen Null” ist das Produkt eines jahrzehntelang hartnäckig zementierten Bildes, dss die öffentlichen Haushalte immer wieder als verschwenderisch im Umgang mit Steuergeldern darstellt. Das ist natürlich zynisch, wenn man bedenkt, dass wir eigentlich mehr von systemrelevanten Arbeiter:innen brauchen, damit Kindern eine gute Schulbildung vermitteln werden kann, unsere Abfälle abtransportiert werden, unsere Angehörigen und Freunde gepflegt werden – oder damit wir eben tagtäglich sicher von A nach B kommen. Tatsächlich müssten diese gesellschaftlich besonders wichtigen Bereiche erhalten, ausgebaut und perspektivisch unter die demokratische Kontrolle all jener gestellt werden, die diese Tätigkeiten verrichten und sie in Anspruch nehmen. Statt immer mehr Privatisierung braucht es eine nachhaltige öffentliche Finanzierung.

Geteilte Dienste, kurze Schichtwechsel, niedrige Löhne vs. grundsätzliche Zufriedenheit: Von den Schilderungen der Beschäftigten lernen

Um den Beschäftigten im Nahverkehr zukünftig den Rücken stärken zu können, haben wir uns in Jena an zwei Aktionen beteiligt: An der Wendeschleife in Burgau waren wir gemeinsam mit ver.di mit einem Stand vertreten und haben bei Kaffee und Brötchen mit den Kolleg:innen über ihre Sorgen, Nöte und Forderungen diskutiert. Dabei kamen auch Vorschläge zur Verbesserung der aktuellen Beschäftigungssituation und auch die Freude am Beruf zur Sprache. Es gab unterschiedliche Einschätzungen zu den Arbeitsbedingungen und der Frage nach einer gerechten Entlohnung, einige Themen sind jedoch wiederholt aufgekommen: Mitunter müssen die Beschäftigten sog. geteilte Dienste fahren. Das kann bedeuten, dass sie z.B. morgens vier Stunden fahren und abends nochmal vier. In der Zwischenzeit haben sie frei und werden nicht bezahlt. Für Kolleg:innen, die außerhalb der Stadt wohnen, kann dies bedeuten, dass sie mehrere Stunden irgendwo festsitzen ohne nach Hause fahren zu können. Ein Fahrer hat uns davon berichtet, dass es häufiger passiert, dass es zu kurzen Schichtwechseln kommt, d.h. dass Beschäftigte aus einer Spätschicht kommen und sofort morgens wieder zum Dienst antreten müssen. Das wird von einigen Kolleg:innen als große Belastung wahrgenommen, die sich auch auf ihre Gesundheit niederschlägt. Ein Beschäftigter berichtete uns sogar, dass viele Kolleg:innen nur mit Schmerzmitteln „funktionieren“. Häufiger wurde auch der Personalmangel, die stagnierenden Löhne und die dichte Taktung problematisiert. Mit einigen Fahrer:innen konnten wir sogar Gründe für eine Verkehrswende aus ökologischer Perspektive andiskutieren. Vereinzelt wurde uns aber auch mit Skepsis gegenübergetreten („Seid ihr welche von diesen Klimaklebern?“) und einige Fahrer:innen wirkten durchaus zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen und der Entlohnung, weshalb sie für einen Streik tendenziell nicht zu gewinnen sind. Nichtsdestotrotz waren viele der ÖPNV‑Beschäftigten, mit denen wir gesprochen haben, bereit sich nochmal mit uns zu treffen, um sich auszutauschen und für gemeinsame Aktionen im Rahmen der TV-N Kampagne in Kontakt zu bleiben.

Günstigere Tickets und viel Verständnis für die Kämpfe der Beschäftigten im ÖPNV: Die Perspektiven der Fahrgäste

Während der Fahrgästebefragung in Bussen, Bahnen und an Haltestellen haben wir verschiedene Eindrücke der Nutzer:innen gewinnen können. Die allermeisten wünschen sich günstigere Ticketpreise. Eine Nutzerin schlug vor, ein Pendlerticket einzuführen, das paritätisch von Arbeitgeber:innen und -nehmer:innen bezahlt werden soll: „Schließlich müsse man ja zur Arbeit kommen“. Vor allem für und von Kindern und Familien wurde sich eine günstigere Nutzung gewünscht. Einige der Fahrgäste haben sich bereits Gedanken über Arbeitsbedingungen der Fahrer:innen gemacht. Sie wussten zum Teil um den Personalmangel, die niedrigen Löhne und um die Arbeitsbelastung. Sogar das Konzept des geteilten Dienstes war manchen ein Begriff. Auf die Frage, wie man denn den Beruf des/der Bus- und Bahnfahrer:in attraktiver machen könnte, entgegneten viele, dass eine angemessene Bezahlung der erste Schritt sein müsse: „Wer so wenig bezahlt, braucht sich wirklich nicht zu wundern.“ Bei der Frage nach der Finanzierung des ÖPNVs äußerte die Mehrheit der Nutzer:innen, dass sie eine Ticketpreiserhöhung ablehnen und der Bund den ÖPNV stattdessen stärker bezuschussen müsste. Ein Nutzer schlug vor, die Kfz-Steuer deutlich zu erhöhen, um damit die Finanzierung des Nahverkehrs zu unterstützen. Einige zeigten auch Verständnis mit den Streiks im ÖPNV: „Das ist ihr gutes Recht“, „Irgendwas muss ja passieren“ und „Wenn die Regierung will, dass wir CO2 sparen, muss sie den ÖPNV eben auch ausfinanzieren!“ waren einige Aussagen, die wir dokumentieren konnten. Einige Schüler:innen haben uns aktiv angesprochen und wollten gerne befragt werden. Im Gespräch zeigte sich, dass sie nicht nur großes Interesse am Thema hatten, sondern auch über Aspekte der Arbeitsbedingungen gut Bescheid wussten („Die haben kaum noch Pause und können nur nach ihrer Schicht essen oder aufs Klo gehen“).

Trotzdem gab es auch andere Perspektiven auf die Legitimität bzw. Illegitimität des Streiks im ÖPNV: „Ja, ist ja nicht nur im ÖPNV so, sondern überall. Alle wollen doch höhere Löhne.“  Hier deutet sich ein gewisses Unverständnis gegenüber Streiks im ÖPNV an, die mit der Kritik verbunden wurde, dass die Beschäftigten damit angeblich versuchen würden, sich eine „Extrawurst“ zu sichern. Genau solche Gefühle der Resignation, Vereinzelung und Entsolidarisierung gilt es jedoch politisch einzuhegen. Denn das Problem schlechter (werdender) Arbeits- und Einkommensbedingungen sind nicht das Problem einzelner Arbeitgeber:innen oder Branchen, sondern es ist eines, dass alle betrifft, die nicht zu den „Glücklichen“ gehören, von Aktien, Immobilien, Erben und der Arbeit anderer ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Diese Erkenntnis sollte uns zu der Einsicht führen, dass wir uns über verschiedene Branchen und Beschäftigtengruppen hinweg nicht spalten lassen sollten, um uns stattdessen zusammenzutun. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sind überall berechtigt und benötigen unsere Solidarität.

Auf dem Weg zu einer sozial gerechten und ökologischen Mobilitätswende: Branchenübergreifende Solidarität, Konversion und Demokratisierung

Wir hoffen, mit den Ergebnissen, den Kolleg:innen der Jenaer Verkehrsbetriebe Material für die Verhandlungen im nächsten Jahr an die Hand geben zu können und gleichzeitig auch die Fahrgäste für die Legitimität des Arbeitskampfes im ÖPNV sensibilisieren zu können. Gleichzeitig ist es uns wichtig, die Perspektive der Beschäftigten dafür zu schärfen, dass eine echte ökologische Verkehrswende alle Mobilitätsbereiche betrifft. Das bedeutet eben auch die Kämpfe der Beschäftigten des Automobilzulieferers GKN von Florenz bis Zwickau zu unterstützen und für eine ökologische Konversion der Branche zu werben, auf die prekäre Situation der Beschäftigten beim Waggonbauer Alstrom in Henningsdorf, Bautzen und Görlitz aufmerksam zu machen, die sich seit Monaten im Abwehrkampf befinden und versuchen, die letzten Zug- und Bahnproduktionsbetriebe im Land zu erhalten; oder den Streik der EVG und den Beschäftigten im überregionalen öffentlichen Verkehr zu unterstützen. Auch hier braucht es vor allem eins: Branchenübergreifende Solidarität.  Die Verbindung der Klimabewegung mit der (Streik-)Macht der Arbeiter:innen sollte über die einzelne Branchenbetroffenheit und Tarifkonflikte hinausgehen und alle gesellschaftlich relevanten Bereiche in den Blick nehmen. Für eine wirklich nachhaltige Verkehrswende, die nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, gilt es demnach mittelfristig im gemeinsamen Kampf neben den Beschäftigten im Nah- und Fernverkehr, auch die Arbeiter:innen in der Autoindustrie, im Waggon- und Schienenbau sowie in der Stahlindustrie zu erreichen. Während der Ausbau des ÖPNVs nicht auf dem Rücken der dort Beschäftigten ausgetragen werden darf, darf eine Verkehrswende ebenso wenig auf Kosten der Auto- oder Stahlbeschäftigten gehen. Diese haben nicht nur ein Recht auf Erwerbssicherheit, vielmehr brauchen wir sie, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen. Für die Verkehrswende sollten sie statt Benzin- oder E-Autos mehr Busse, mehr Bahnen, mehr Schienen und Anlagen für erneuerbare Energien produzieren dürfen (!). Dies erfordert jedoch einen demokratischen Umbau dieser Betriebe, in denen jetzt allein die Aktionäre und Investoren darüber entscheiden, was, wofür produziert wird und was mit den Jobs passiert.

Auf lange Sicht gesehen, gilt dasselbe für den sozialen und ökologischen Umbau der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft. Solidarität und ein gemeinsamer Kampf der Mehrheit der Klasse der Lohnabhängigen sind Voraussetzung für eine soziale und ökologische Zukunft. Nur so können die Bevölkerungsmehrheiten organisiert werden, die es braucht, um dem Kapitalismus, der die Ursache für Ausbeutung und Umweltzerstörung ist, eine demokratische Macht der Vielen entgegenzustellen!

Let’s talk about 9-Euro-Ticket

Verkehrspolitik zwischen Energiekrise, Klimawandel und Profitzwang. Ein Austausch zwischen ÖPNV-Beschäftigten und Klimaaktivist*innen

© Christiane Claus | Fotografie

Der Verkehrssektor ist die Blutbahn unserer modernen Gesellschaft. Er bestimmt über die Mobilität von Privatpersonen und das Funktionieren unserer Wirtschaft. Aktuell ist die Gesellschaft durch vielfältige Krisen gebeutelt: Krieg, Energiepreiskrise, Inflation, Pandemie und der sich immer weiter zuspitzende Klimawandel. Als Krisenmanagerin hat sich die Bundesregierung vorgenommen, ‚Herr‘ dieser Krisen zu werden und die Menschen dabei mitzunehmen. Aber: „Ohne Entbehrungen wird es nicht gehen“, meint Wirtschaftsminister Habeck. Doch von welchen Entbehrungen spricht Habeck und welche Interessen hat die Bundesregierung tatsächlich im Blick, wenn es darum geht, Entlastungspakete zu schnüren, das 9-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen und die Spritpreise zu deckeln? Dazu haben wir uns am 13.07. mit Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs und Gewerkschaftsvertreter*innen in Erfurt in einem ersten Kennenlerntreffen ausgetauscht. Beim gemeinsamen Grillen unter dem Motto „9-Euro-Ticket: Gut fürs Klima – schlecht für die Arbeit?“ ging es uns darum zu hören, was Beschäftigte zum 9-Euro-Ticket und dem aktuellen politischen Kurs der Landes- und Bundesregierung mit Blick auf die dringend benötigte Mobilitätswende zu sagen haben. Als Klimaaktivist*innen ist es uns wichtig, mit Beschäftigten zu sprechen, um zu erfahren, mit welchen Hürden der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs konfrontiert ist, um über gesellschaftliche Anerkennung, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu diskutieren und um zu überlegen, wie wir unser gemeinsames Ziel einer ökologischen Mobilitätswende näherkommen können. Die Diskussionen und Eindrücke waren vielfältig, deshalb wollen wir unterschiedliche O-Töne unsererseits, einer weiteren Klimaaktivist*in und einem Vertreter der Eisenbahngewerkschaft EVG von dem Treffen wiedergeben, um zukünftig daraus zu lernen und daran anknüpfen zu können.

© Christiane Claus | Fotografie

„Wir sind von Beruf aus Klimaschützer! Aber wir können unseren Beruf nicht ausführen“

Klimaaktivistin:

Das Grillgespräch war sowohl erhellend als ernüchternd. Die Bewertung des 9-Euro-Tickets wurde von einem Betriebsrat mit folgenden Worten quittiert: ‚Darüber brauchen wir gar nicht erst reden, das wissen wir alle…‘. Kritisiert wird die fehlende Investition in die Infrastruktur und in das Personal des ÖPNV. So kamen überfüllte Busse, Bahnen und Regionalzüge zu Stande, die zu Belastungen und Stress sowohl beim Personal als auch bei den Fahrgästen führten. Das Ticket ist damit für Betriebsräte, Betriebsratsvorsitzende und Beschäftigte in der Umsetzung gescheitert und soll aus ihrer Sicht nicht fortgesetzt werden. Vorher müsse in die Infrastruktur investiert werden, obwohl allen klar ist, dass ein günstiger ÖPNV wichtig für einen Großteil der Bevölkerung ist.

Auf die Frage, inwiefern sich solche Forderungen in die bestehenden Tarifauseinandersetzungen integrieren lassen, lieferten die Antworten nicht viel Hoffnung auf eine baldige Umsetzung in Richtung Ausbau des ÖPNV. Den Verkehrsgesellschaften fehlt es an Geld für die Instandhaltung der bestehenden Fahrzeugflotte – der Streckenausbau hat dabei das Nachsehen. Am Beispiel des TV-N 2020, in dem ein bundesweiter Rahmentarifvertrag gefordert wurde (bisher ist die Finanzierung des ÖPNV Ländersache) wurde außerdem aufgezeigt, dass sich die Beschäftigten für außerbetriebliche Forderungen nicht im gleichen Maß mobilisieren ließen, wie für eigene Lohnerhöhungen.

Deutlich wurde, dass es den Beschäftigten und den Betriebsräten an konkreten politischen Ideen und Praxen fehlt, um die Situation im ÖPNV nachhaltig zu verbessern und an den Ursachen der Probleme anzusetzen. Im Spagat zwischen überlastenden Arbeitsbedingungen und dem Verpflichtungsgefühl ihrer Kund*innen gegenüber reflektieren sie, dass ihr eigenes Handeln zur Stabilisierung des Status Quo beiträgt. An freien Tagen wird doch eingesprungen, damit die Straßenbahnen nicht ausfallen. Ebenso ersetzt die Forderung nach einer zusätzlichen Entlohnung von Überstunden, diejenige, nach der es gar nicht erst zu Überstunden kommen sollte. Die Ohnmacht der Beschäftigten und der Betriebsräte gegenüber ihren wahrgenommenen fehlenden Handlungsmöglichkeiten war deutlich zu spüren. ‚Eigentlich müsste ein politischer Streik her‘ sagt einer der Anwesenden ins offene Mikro – Applaus.

Für die Verbindung von ökologischen und sozialen Forderungen jedoch war eine Einsicht zentral: Die Beschäftigten verstehen ihre Arbeit als aktiven Klimaschutz und sind offen für klimapolitische Forderungen. So rief jemand: ‚Wir sind von Beruf aus Klimaschützer! Aber wir können unseren Beruf als solche nicht ausführen.‘“

© Christiane Claus | Fotografie

Verkehrswende auf dem Rücken der Beschäftigten?

Klimaaktivistin, Klima und Klasse:

„Ich habe gemerkt, dass den Beschäftigten klar ist, dass es eine politische Entscheidung ist, wenn es heißt, es gäbe kein Geld für den Ausbau des Nahverkehrs. Die Unzufriedenheit bei den von Überstunden und Extraschichten gegängelten Bus- und Tramfahrer*innen ist also groß. Einige von ihnen berichteten, dass Kolleg*innen sich in Vergangenheit buchstäblich zu Tode gearbeitet haben. Es gibt auch kaum Nachwuchs in den Betrieben. Unter den jetzigen Umständen scheinen viele nicht bleiben zu wollen. Die Beschäftigten müssen ausbaden, was die Regierung bei der Verkehrswende versäumt.“

© Christiane Claus | Fotografie

Gemeinsame Strategien entwickeln, voneinander lernen, Plattformen schaffen

Tarek, EVG:

„Die Veranstaltung war ein wichtiger Schritt, um Klimaaktivismus und Tarifpolitik zusammen zu denken. Aktivist*innen und Gewerkschafter*innen waren sich ihrer gemeinsamen Verantwortung bewusst, auch wenn es noch an Motivation fehle. Alle sind sich einig gewesen, dass die Verkehrswende elementarer Bestandteil der Transformation sein muss und man das Klima nur schützen kann, wenn die arbeitende Klasse in diesen Prozess von Beginn an mit eingebunden wird. Meiner Meinung nach braucht es eine gemeinsame Strategie, um in der breiten Masse der Beschäftigten im ÖPNV-Sektor ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was möglich ist, wenn man gemeinsam und organisiert in den Arbeitskampf geht. Das kann mit durchdachten Organizing-Konzepten erreicht werden. Hier können und müssen Klimabewegung und Gewerkschaften voneinander lernen. Deshalb würde ich mir wünschen, wenn Plattformen für regelmäßige und niedrigschwellige Austausche zwischen Beschäftigten der Branche und Aktivist*innen geschaffen und gefördert werden.“

Solidarität nicht als hohle Phrase, sondern als Teil einer politischen Praxis

Klimaaktivistin, Klima und Klasse:

„Es gäbe viel über das Treffen zu berichten, was mich seither umtreibt. Aber ich möchte mich vorwiegend auf die Lichtblicke konzentrieren. Zunächst muss gesagt werden, dass es nicht unbedingt selbstverständlich ist, dass wir als Klimagruppe eingeladen werden und dass man offen und ohne große Vorbehalte mit uns spricht. In der Vergangenheit hat dies in anderen Bereichen nicht gut geklappt und sogar Spaltungslinien zwischen Arbeiter*innen- und Klimabewegung aufgerissen. Das Beispiel des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde im Lausitzer Revier ist dafür ziemlich sinnbildlich. Die Frontstellung zwischen einigen (wenn auch durchaus nicht allen) Klimaaktivist*innen, die vereinfacht gesagt die Vorstellung vertreten: ‚Es gibt keine Jobs auf einem toten Planeten‘, wodurch sie den Arbeitsplatzverlust vieler Beschäftigter in ‚braunen Industrien’ in Kauf nehmen und den Lohnabhängigen, die ihren ökonomischen Status und ihren Job sicher wissen wollen, scheint in diesem Fall hoffnungslos verhärtet. Der Konflikt um eine soziale und ökologische Wende wird nun zwischen den falschen Parteien ausgetragen: Statt zwischen denen, die maßgeblich für den Klimawandel und die Naturzerstörung verantwortlich sind und denen, die darunter bereits heute leiden, bekämpfen sich letztere gegenseitig. Dabei sind es ja nicht die Lohnabhängigen, die entscheiden, wieviel Braunkohle abgebaut wird und wie ein Ausweg aus der Förderung aussehen kann, oder ob die Verkehrswende gelingt oder nicht. Und vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass wir uns in Erfurt mit den ÖPNV-Beschäftigten austauschen konnten. Natürlich ist das im Bereich ÖPNV einfacher als im Fall Braunkohle: Dass sich die Beschäftigten selbst als Klimaschützer*innen begreifen, finde ich aber dennoch großartig! Daran gilt es anzuknüpfen – sowohl auf Seiten der Klimabewegung als auch der Gewerkschaften. Konkret bedeutet das für mich, nicht nur den Beruf an sich aufzuwerten, sondern die Anliegen der Beschäftigten ernst zu nehmen zu einer gemeinsamen Praxis zu kommen. Aber auch für klimapolitische Probleme zu sensibilisieren. Statt Unterschiede zu betonen, müssen wir fragen: Wie kommen wir zusammen?

Ein weiterer Punkt, der mir positiv aufgefallen ist, war die Forderung nach dem Politischen Streik. Hierbei ging es klar um politische Mitbestimmung und Gehör. Einige der Beschäftigten sprachen auch darüber, dass Erzieher*innen, Pfleger*innen oder Supermarktarbeiter*innen mehr gesellschaftliche Anerkennung gebührt – und dass eben auch in Form besserer Arbeitsbedingungen und höherer Löhne. Letztlich hätten sie den Laden während der Pandemie am Laufen gehalten. Das zeugt meines Erachtens davon, dass es ein gewisses (wenn auch unter den gegebenen politischen Kräfteverhältnissen eher kleines) Möglichkeitsfenster für eine breite, solidarische Arbeiter*innenmobilisierung gibt. Sie werden schließlich alle ausgebeutet und ihnen wird letztlich die Rechnung für die auf uns immer schneller zurollende Klimakrise präsentiert werden. Wenn wir es als Klimaaktivist*innen schaffen, auf verschiedene Beschäftigungsgruppen zuzugehen, gemeinsame Ziele zu formulieren und kleine (und hoffentlich bald auch größere) Gewinne zu erzielen, dann sind wir schon einen Schritt weiter im Kampf für eine ökosozialistische Wende. Wenn ÖPNV-Beschäftigte sich dem Streik von Erzieher*innen anschließen oder Klimaaktivist*innen zu Opel nach Eisenach fahren, um sich gegen die Werksschließung auszusprechen und gleichzeitig über alternative Produktionsmodelle zu diskutieren – dann zeigt sich vielleicht, dass es eine gesellschaftliche Gegenmacht gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung geben kann. Solidarität darf dabei keine hohle Phrase sein, sondern muss Teil einer politischen Praxis werden, die in Richtung Ökosozialismus weist. Die können wir jedoch nur entwickeln, wenn wir mit statt nur über die Beschäftigten reden.“

© Christiane Claus | Fotografie

Zwischen Ohnmacht und Aufbruch

Aktivist, Klima und Klasse:

„Die verschiedenen Perspektiven der ver.di Gewerkschaftsaktiven – darunter unterschiedliche Beschäftigungsgruppen, Hauptamtliche, Betriebsräte und einfache Beschäftigte aus verschiedenen Bereichen des ÖPNVs – waren für mich sehr lehrreich. Die Ansätze einer Klassenpolitik mal konkret herunterzubrechen und dabei die persönlichen und politischen Problemlagen sowie Widersprüche nicht nur abstrakt im Kopf zu haben, sondern sie im Gespräch zu erfahren, war eine wertvolle Erfahrung. Es zeigt für mich, wie wichtig eine konkrete klassenorientierte Praxis ist. Viele der politischen und strategischen Fragen, die wir auf dem Weg zu einer ökosozialistischen Klassenpolitik (die diesen Namen auch verdient und nicht nur ein schicke sozial-ökologische Kampagne ist) häufig abstrakt diskutieren, konnten im unmittelbaren Austausch so mit Leben gefüllt werden. Das zeigt für mich, wie wichtig die Einheit von Theorie und Praxis ist: Ohne einige politische und auch theoretische Grundlagen läuft man Gefahr, einen ökosozialistischen Kompass zu verlieren und sich in einer beliebigen Praxis und einem richtungslosen Aktivismus zu verrennen. Ökosozialistische Debatten ohne konkrete klassenpolitische (das heißt auf Beschäftigte in ihrer gesellschaftlichen Rolle als Lohnarbeiter*innen orientierten) Praxis können sonst schnell zu Kopfgeburten werden und sich in Sektiererei verlieren. Wie soll man Beschäftige konkret ansprechen? Was sind die richtigen Forderungen, die sowohl an der Lebensrealität der Menschen ansetzen und doch transformatives Potential besitzen? Wie umgehen mit den DGB Gewerkschaften und den verschiedenen Positionen und Strömungen in diesen? Das alles sind Fragen, die in der direkten Situation analysiert und beantwortet werden müssen.

Mir sind vor allem zwei Dinge im Gedächtnis geblieben: Es war unter allen Mitdiskutierenden klar, dass sich Fragen nach besseren Arbeitsbedingungen, mehr Personal, höheren Löhnen etc. auf betriebspolitischer Ebene kaum lösen lassen. Es geht ums Geld und die Frage, was der Gesellschaft ein guter Nah- und Fernverkehr wert ist. Gleichzeitig war auch allen klar, dass es aus ökologischen Gründen eigentlich eine echte Verkehrswende bräuchte und das so schnell wie möglich. Irgendwie waren sich auch alle mehr oder weniger einig, dass das eine Frage der politischen Prioritätensetzung ist. Einhellig wurden die aberwitzigen 100 Mrd. für die Aufrüstung als Beleg dafür genommen, dass durchaus Geld da wäre, wenn denn nur der politische Wille und die Macht dazu vorhanden wären. Gleichzeitig wusste man, dass der ÖPNV kommunal betrieben wird, dass die Spielräume der Kommunen und der Länder sehr beschränkt sind und dass häufig ebenfalls noch andere kommunale Versorgungsbetriebe mit im Netz hängen. Die Tragweite des Finanzierungsproblems und letztlich der systemische Rahmen des Problems führt mich zu meinem zweiten Punkt: Ohnmacht.

Es wurden vor diesem Hintergrund durchgängig Ohnmachtsgefühle geäußert, die jedoch unterschiedlich verarbeitet wurden. Beschäftigte oder Betriebsräte, die offen fragten, wie man da denn nur weiterkommt, wenn selbst kleinere und mittlere Verbesserungen kaum durchsetzbar sind, fühlten sich in einer Sackgasse. Bevor die Infrastruktur mit mehr Bussen, Bahnen, Personal und Netz und bevor die damit zusammenhängenden Finanzierungsfragen nicht geklärt sind, brauchen wir über 9-Euro-Ticket; 365-Euro-Ticket, ticketlosen ÖPNV und generell nachhaltige Mobilitätswende eigentlich nicht reden – so eine verbreitete Meinung. Außerdem erlebte ich auch – und das nicht zum ersten Mal – dass Gewerkschaftsaktive tiefenfrustriert davon waren, wie wenig sie teilweise ihre Kolleg*innen für die großen aber auch schon die kleinen politischen Themen in Bewegung bringen bzw. organisieren können. Das führt dann stellenweise zu für mich äußerst befremdliche Aussagen wie ‚die wollen einfach nicht‘, ‚ihnen geht es einfach immer noch zu gut – es muss erst deutlich schlimmer werden, bevor die den Arsch hochkriegen‘, ‚die sind immer nur am Meckern aber machen ja selbst nichts. Ohne unsere Arbeit [als Gewerkschafter*innen] sähe es noch viel schlimmer aus‘, ‚die Tafeln behaupten seit Jahren, dass es jetzt so richtig schlimm werden wird, aber das passiert gar nicht, sondern bleibt aus‘ (sinngemäß wiedergegeben).

Mein Fazit: Die Verhältnisse polarisieren sich ganz objektiv (Klimakollaps, Inflation etc.). Das wird im Innersten von vielen der Beschäftigten auch gesehen, aber die Ohnmacht ist riesig und der Glaube an die eigene Wirkmächtigkeit, an die eigene Macht und damit letztlich auch an die demokratische Macht der Vielen ist kaum vorhanden. Gleichzeitig kamen die allermeisten Redebeiträge von Gewerkschaftsfunktionär*innen und Hauptamtlichen jeglicher Couleur, die selbst wenig anzubieten hatten, wie denn das Ruder endlich rumgerissen werden könne. Es gab aber auch zaghafte Hinweise darauf, dass viele finden, dass es eine (klassen‑)kämpferischere und besser mobilisierende Gewerkschaftsarbeit braucht und dass wir auch über Dinge wie den Politischen Streik sprechen müssen! So ernüchternd die aktuelle Lage ist, so klar schreien die sich objektiv sozial und ökologisch zuspitzenden Verhältnisse danach, in politisch zuspitzende Verhältnisse übersetzt zu werden. Es liegt an uns allen, uns nicht mit den Verhältnissen abzufinden, sondern endlich über angemessene Strategien zu reden und in eine Praxis umzusetzen. Wir müssen Stück für Stück kleinere Erfolge organisieren und erkämpfen, die Mut auf mehr machen und uns alle die eigene Stärke spüren lassen. Die Zeit ruft nach einer gemeinsamen klassenkämpferischen Klimabewegung und einer klassenkämpferischen Arbeiter*innenbewegung. Packen wir es an!“

Ostermarsch 2022: Keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden. Wir sagen Nein zum Krieg!

Klima und Klasse auf dem Ostermarsch 16.04.2022 Jena


Wir kommen aus der Klimabewegung und orientieren uns politisch an der Kritik des kapitalistischen „Systems“ als Klassenverhältnis. Wir stehen heute hier um den brutalen, völkerrechtswidrigen, russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – sowie alle anderen kriegerischen Aggressionen in aller Welt – zu verurteilen. Dabei nehmen wir nicht nur globale Machtverhältnisse in den Blick, sondern sehen auch, dass es keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden geben kann.

Kriege und auch schon Kriegsvorbereitungen zerstören unmittelbar Lebensräume für Menschen und die Biosphäre. Das Militär ist einer der größten Klimakiller: Allein das US-Militär stößt mehr CO2 aus als die meisten Länder. Ein Eurofighter allein stößt pro Flugstunde so viel CO2 aus, wie eine durchschnittliche Person in der BRD pro Jahr.
Die Aufrüstung entzieht dem dringend notwendigen sozial-ökologischen Umbau und anderen wichtigen Aufgaben, gesellschaftliche Ressourcen: Dem UN-Welternährungsprogramm fehlen zur Bekämpfung des Hungers von 811 Millionen Menschen auf der Erde im letzten Jahr 12 Milliarden Euro.
Gleichzeitig wird der Klimaumbruch vielen Menschen ihre Lebensgrundlage entziehen, und so mehr und mehr zur Fluchtursache und zum Hintergrund für globale Ressourcenkriege werden, wenn wir dem nicht aktiv entgegenwirken.

Wir als Gruppe „Klima und Klasse“ betonen, dass an der Wurzel der Ursache für die Klimakatastrophe – wie auch für die Kriegsgefahr – der Kapitalismus und die Herrschafts- und Klassenverhältnisse auf denen er beruht, stehen. Der endlose Hunger nach maximalen Profiten kennt keine Rücksicht und keine Grenzen. Alles wird zum Vehikel der Plusmacherei und jedes noch so umweltschädliche oder unmenschliche Mittel ist recht. Während überall die schwächeren und ärmeren die Zeche für Krieg, Aufrüstung und den Klimawandel zahlen müssen, sind die Aktienkurse einiger Rüstungskonzerne wie Rheinmetall und Hensoldt gerade explodiert.

Doch auch wenn die Rüstungskonzerne ein Interesse an Krieg haben, sitzt das Problem tiefer. Wie die maßlose Konkurrenz sich in einem umweltzerstörerischen Wachstumszwang ausdrückt, so sind es dieselben Triebkräfte, die die Welt regelmäßig mit Krieg überziehen.
Kapitalismus bedeutet Imperialismus. Unternehmen und Staaten konkurrieren um Profite, um Absatzmärkte, Handelswege und Rohstoffvorkommen. Staaten und Kapitalist:innen kämpfen um ihre ökonomischen und geopolitische Einflusssphären. Sie kämpfen um die Aufteilung der Welt. Diese geopolitische Konkurrenz gehört zum „Normalbetrieb“ der internationalen Politik und des Standortwettbewerbs. Sie entlädt sich dabei regelmäßig in Form von Kriegen.


Kapitalismus ohne Expansion, ohne Umweltzerstörung und ohne Krieg – kann es nicht geben. Keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden!


Wir haben wirklich bei diesem Redebeitrag sehr überlegt, was wir wie sagen wollen. Gestern lasen wir eine Warnung vor „Linksextremen“, die die Ostermärsche nutzen würden, um neben der Verurteilung des Angriffs auf die Ukraine noch weiter Themen wie die NATO-Strategie und ähnliches in die Diskussion zu bringen.

Ökonomische, sicherheitspolitische oder geopolitische Interessen anzusprechen ist also „linksextrem“?

Damit haben wir einen weiteren Tiefpunkt in der Barbarisierung der Debatte erreicht. Im sogenannten finsteren Mittelalter war es üblich, sich die ständigen kriegerischen Zustände mit willkürlichen Entscheidungen der Herrscher zu erklären.

Es war ein Zeichen der Zivilisierung, dass gelernt wurde, dass dem politischen Handeln so gut wie immer echte Interessen zugrunde liegen und dass dies die Grundlage für mögliche Aushandlungen und damit eine friedliche Beilegung von Konflikten ermöglicht.

Es ist wirklich eine schlimme Zeitenwende, dass dies wieder zurückgenommen wird und es als „linksextrem“ gilt, wenn man dies macht!

Wir fordern:

  • Ein sofortiger Stopp des Krieges und einen sofortigen Stopp dieser humanitären Katastrophe
  • Wir sagen Stopp zu jeder weiteren Eskalation. Und: wir sagen NEIN zum Krieg!Es ist NICHT unser Krieg!
  • Die Menschen in Russland oder in Zukunft in China sind nicht unsere Feinde. Wir stellen uns gegen die geopolitische Konfrontation
  • Wir fordern wirkungsvolle Sanktionen, die sich gegen die Akteure des russischen Oligarchen-Kapitalismus statt gegen die Bevölkerung Russlands richten
  • Wir fordern Asylrecht für alle Menschen, und stellen uns gegen ein rassistisches Grenzregime. Wir fordern Solidarität mit allen geflüchteten Menschen
  • Und: wir fordern Asylrecht für alle Kriegs-Verweiger:innen aus allen Ländern. Für Ukrainische und russische Deserteure sowie politisch verfolgte Friedensaktivist:innen


Wir müssen uns nun sofort mit allen Mitteln gegen die Zeitenwende in der Rüstungspolitik stellen. Unfassbare 100 Milliarden Euro für weitere Aufrüstung? – damit sind die kommenden Kriege vorprogrammiert.

  • Wir fordern eine Rückkehr zur Rüstungskontrolle und Abrüstung statt eines neuen Wettrüstens. Waffen schaffen niemals Frieden!
  • Es braucht diplomatische Lösungen und Deeskalation statt weiterer militärischer Gewalt
  • Keine 100 Milliarden für die Bundeswehr, sondern für Pflege, Bildung, Mobilität und KLIMA!
  • Wir fordern 100 Milliarden für die Energiewende.


Wir müssen uns auf weiter unruhige Zeiten vorbereiten durch mehr Wissen und auch Praxis über internationale Krisenprävention, zivile Verteidigung und vieles andere, was wir jetzt noch zu wenig kennen und deshalb oft in der falschen Alternative von ungewollter Unterwerfung und einer massiven Militarisierung stecken.

Wir brauchen einen Umbau der Rüstungsindustrie sowie andere umweltzerstörerischen Industrien. Doch nicht auf Kosten der Beschäftigten. Vielmehr sollten wir für ein Recht auf sozial nützliche Arbeit kämpfen. Und sozial nützlich kann eine Arbeit nur sein, wenn sie nicht die Umweltzerstörung und nicht die Kriege anheizt!

Weg von Rüstungsproduktion hin zu sinnvoller und ökologischer Produktion: So wie man einst „Schwerter zu Pflugscharen“ gefordert hat, fordern wir „Panzer zu Windrädern und Bahnwaggons“
Eine andere Welt wird möglich, in dem wir als Klima-, Arbeiter*innen- und Friedensbewegung zusammenschließen und organisieren.
Wir sagen: Zusammen gegen die Kriege der Weltmächte und Zusammen gegen den Krieg des Kapitals gegen den Planeten!
Zusammen gegen die Kriege der Weltmächte und Zusammen gegen den Krieg des Kapitals gegen den Planeten!

Zusammen gegen die Kriege der Weltmächte und Zusammen gegen den Krieg des Kapitals gegen den Planeten

Klimastreik am 25.03.2022 in Jena

Klimabewegung, Genoss*innen und Freund*innen,

Wir verurteilen die russische Invasion. Wir fordern den sofortigen Rückzug der russischen Truppen und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Es braucht diplomatische statt militärischer Lösungen! Dazu gehört auch eine klare Kritik an der NATO und der kontinuierlichen Ausweitung ihrer Macht- und Einflusssphäre. Als Ergebnis dieser bereits länger andauernden Konfrontation zweier Machtblöcke müssen wir heute machtlos zusehen, wie Russland in diesem Konkurrenzkampf die nächste Eskalationsstufe nimmt. 

Es sind die Menschen, die in diesem Krieg verlieren

Es sind die Menschen, die in diesem Krieg verlieren, Menschen wie wir! Die Menschen in der Ukraine wurden in diesen Krieg gezwungen. Sie können nur flüchten oder werden als Zivilisten gezwungen zu kämpfen. In Russland leidet vor allem die Bevölkerung unter den Sanktionen des Westens – und nicht nur die russischen Eliten.

Wir verweigern uns, Position für einen der Machtblöcke zu beziehen. Stattdessen schlagen wir uns auf die Seite aller Menschen, die unter dieser Konfrontation Leid erfahren und beziehen Position gegen die Kriegstreiber*innen und Kriegsprofiteur*innen auf allen Seiten!

100 Milliarden für eine konsequente Klimapolitik

Noch etwas lernen wir aus den letzten Wochen: Klimapolitik braucht erfolgreiche Friedenspolitik!

Denn die Klimakatastrophe kann nur gemeinsam aufgehalten werden, durch Kooperation auf internationaler Ebene. Und wir lernen auch, wie schnell auf einmal Geld für Rüstung locker gemacht wird, was sonst an allen Ecken angeblich fehlt. Die Bundesregierung will nun beim großen Säbelrasseln mitspielen und 100 Milliarden für den Ausbau der deutschen Kriegsmaschine bereit stellen, wodurch die nächsten Kriege schon vorprogrammiert sind. Mit dieser Entscheidung verlieren auch wir in Deutschland.

Die 100 Milliarden für die Kriegskasse heute sind die perfekte Ausrede von morgen für eine klägliche Klimapolitik und weitere Kürzungen im sozialen Bereich. Das können wir nicht hinnehmen! 

Wir – die Menschen – wir brauchen die 100 Milliarden für eine konsequente Klimapolitik. Und wir sollten sie nicht selbst als Staatschulden bezahlen sondern sie sollen aus den vollen Taschen der Superreichen und Konzerne kommen, die die ganze Zeit von Armut,  der Zerstörung unserer Umwelt und von Kriegen profitiert haben.

Bei den Ölraffinierien sprudeln die Gewinne – weil der Preisanstieg an den Tankstellen nur zu einem geringen Teil durch gestiegene Rohölpreise zu erklären ist. Der Rest des Liter-preises bleibt bei den großen Umweltverschmutzern und macht das Geschäft mit fossilen Energieträgern nur noch lukrativer – auch für die Zukunft.

Nein, die derzeitige Spritpreisexplosion ist nicht gut für das Klima – sie schadet ihm – und zusätzlich auch den Menschen die auf das Auto angewiesen sind.

People, not Profit – Menschen, nicht Profite!

Was bedeutet das Motto des Klimastreiks “people, not profit” 2022? Krieg bedeutet Machtspielchen und Profite von Wenigen auf der einen Seite und die Ohnmacht der Mehrheit auf der anderen Seite, die wir alle spüren. Kapitalismus bedeutet endlose Profite und Reichtum für Wenige und Armut und Prekarität für die Mehrheit, der auch wir angehören.

Kapitalismus – egal wie grün er angestrichen wird – bedeutet auch endlose Profite auf Kosten der Umwelt und des Planeten. Wir wollen dies nicht hinnehmen und stehen mit euch zusammen und sagen: “people, not profit!” – “Menschen! nicht Profite!”

Denn wenn wirklich einmal die Menschen vorgehen würden, dann würde die Regierung jetzt die Energieunternehmen vergesellschaften und die Energiepreise deckeln. Genauso könnte man bei anderen Grundbedürfnissen, wie Wohnen, Gesundheit und Lebensmittelproduktion verfahren.

Wir würden sehen, dass die Abhängigkeit von fossilen Energien konsequent abgebaut wird. Zum Beispiel in dem endlich attraktive und nachhaltige Angebote zum Auto etabliert werden: Doch Stattdessen sorgen Unternehmen und Politiker*innen dafür, dass weiter jeder Bereich unseres Lebens durch die zerstörerische und menschenverachtende Profitlogik organisiert wird.

Solcher Irrsinn kommt dabei heraus, wenn versucht wird, eine sozial gerechte Klimapolitik mit der Markt- und Profitlogik zu vereinen. Schonung der Reichen, Mehrbelastung für uns Lohnabhängige und eine ungebremst herannahende Klimakatastrophe – seit 50 Jahren! Schluss damit!

Die letzten drei Jahre haben uns als Klimabewegung gelehrt, dass uns nichts geschenkt wird. Wenn wir wollen, dass die Profitlogik nicht mehr über uns und den Planeten herrscht, dann müssen wir das erkämpfen. Wir müssen für eine ökologische Gesellschaft kämpfen, in der wir alle demokratisch kontrollieren können, was und wie für wen produziert wird. Eine solche Demokratisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft ist der Kern einer sozialistischen Idee. Wer “people, not profit” sagt muss auch benennen, dass das innerhalb des Kapitalismus noch nie funktioniert hat – und auch nie funktionieren kann.

Das hört sich nach großen Schritten an und das sind sie auch. Nur wenn wir es schaffen, irgendwann hier zu stehen mit den Kolleg*innen aus den Betrieben – wenn wir hier wirklich gemeinsam streiken – nur dann werden wir gegen die Kapitalisten und die Regierungen unsere Forderungen durchsetzen können.

Wir fordern ein Ende der Kriegspropaganda auf allen Seiten! Wie beim Krieg so auch beim Klima – die Grenze verläuft überall zwischen oben und unten – zwischen uns lohnabhängigen Menschen und den Reichen und Mächtigen – zwischen People, und Profit. Wir stehen mit euch für eine starke, gemeinsame Klima-, Arbeiter*innen- und Friedensbewegung!

Zusammen gegen die Kriege der Weltmächte und Zusammen gegen den Krieg des Kapitals gegen den Planeten.

Vortrag: System Change not Climate Change – Klimakrise, Kapitalismus & Klasse

Der Vortrag wurde am 28. Oktober 2020 auf der ALOTA (Alternative Orientierungstage an der Universität Jena) in Jena gehalten. Dabei ging es – wie der Titel schon andeutet – um grundlegende Fragen der Klimabewegung.

„System Change not Climate Change“. Diesen Slogan haben wir auf den Klimaprotesten alle schon einmal gehört. In aller Regel bleibt es bei dieser abstrakten Feststellung. Doch was ist dieses „System“ und wie müsste der „Change“ aussehen?

Der Vortrag führt in die Frage ein, was Kapitalismus eigentlich ist, was ihn so umweltzerstörerisch macht und warum es echte Nachhaltigkeit im Kapitalismus nicht geben kann. Wir fragen dabei nach den Bedingungen eines solchen Systemwandels und welche Akteur:innen und Interessen einem solchen Wandel derzeit im Wege stehen, wer also davon profitiert, dass es so bleibt, wie es ist. Kritisch diskutieren wir dabei ebenfalls Sinn und Unsinn der Frage, wo man einkaufen sollte und wo besser nicht und plädieren für eine ökosozialistische Politik, die „Klasse“ wieder mehr in den Mittelpunkt rückt.

Jetzt hier als Audio:

COP 26

»Nicht nur absurd, sondern verbrecherisch«

UN-Klimakonferenzen gehören zum imperialistischen Weltsystem dazu wie WTO, G20 oder G7. Ein Gespräch mit Christian Zeller Von Jakob Reimann [1]


(Ein Interview der Jungen Welt aus: Ausgabe vom 18.11.2021, Seite 3 / Schwerpunkt)

Vergangene Woche endete die 26. Klimakonferenz der UN in Glasgow. Wurde die COP 26 wie angekündigt zum historischen Gipfel?

Wer gutmütig und vielleicht etwas naiv ist, hebt folgende Punkte in der Schlusserklärung hervor: Die Regierungen bekennen sich zum Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber 1850 zu begrenzen. Es soll ein langsamer Ausstieg aus der Kohle eingeleitet werden. Die Treibhausgasemissionen sollen noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent gegenüber 1990 sinken. Die Regierungen sollen ihre Verpflichtungen zur Emissionssenkung nachbessern und jährlich berichten. Doch all das bleibt letztlich sehr allgemein und unverbindlich. Es kostet niemanden etwas, Ziele in die Welt hinauszuposaunen.

Die Rhetorik für Nettonull im Jahre 2050 offenbart, dass die Regierungen auf eine technologische Lösung setzen. Das ist unrealistisch und mit enormen Risiken behaftet. Nettonull entwickelt Rechtfertigungen für Konzerne und ihre Regierungen, ihren bisherigen Kurs weiterzuverfolgen. Irgendwann werde man in der Lage sein, gigantische Mengen CO2 aus der Atmosphäre zu holen und irgendwo zu speichern. Das ist nicht nur eine absurde, sondern auch eine verbrecherische Perspektive. Realistisch betrachtet: Die COP 26 ist eine weitere Demonstration der Regierungen, dass sie die Erde bewusst auf einem Erhitzungspfad halten und der Weltgesellschaft, vor allem den armen Menschen, die bitteren Konsequenzen aufbürden.

Alok Sharma, Präsident der Konferenz, bezeichnet den sogenannten Glasgower Klimapakt als »beispiellos und wirklich bedeutungsvoll«.

Ja, die COP 26 war bedeutungsvoll, weil sie der Klimabewegung und der ganzen Welt so deutlich wie noch nie vor Augen geführt hat, dass es nicht um mangelnden Mut der Herrschenden geht, sondern um die Zwänge der kapitalistischen Produktionsweise. Glasgow zeigte unmissverständlich, dass die Regierungen den eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen. Die COP 27 wird in Scharm El-Scheich in Ägypten unter der Aufsicht des Diktators Al-Sisi stattfinden, die COP 28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten, deren Reichtum weitgehend auf Öl beruht. Die Klimabewegung sollte aufhören, sich an den Beschlüssen dieser Konferenzen zu orientieren. Die COP gehören zum imperialistischen Weltsystem genauso wie die WTO, die G20 oder die G7.

2015 wurde auf der COP 21 in Paris beschlossen, den globalen Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Gegenwärtig liegen wir bereits bei rund 1,2 Grad über dem Jahr 1850. Was bedeuten diese Zahlen?

Würden die Regierungen ihre nationalen Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase umsetzen, würde sich die Welt gegen Ende des Jahrhunderts um wahrscheinlich durchschnittlich 2,7 Grad erhitzt haben. Nun wissen wir aus Erfahrung, dass die Regierungen nicht einmal ihre ungenügenden eigenen Verpflichtungen einhalten. Das heißt, die wirkliche Entwicklung läuft mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Erwärmung von mindestens drei Grad gegen Ende dieses Jahrhunderts hinaus. Die Landflächen erwärmen sich jedoch rund anderthalbmal stärker. Die Arktis würde sich wahrscheinlich mehr als doppelt so schnell erwärmen im Vergleich zu den Mittelwerten. Das Erdsystem wird Kippunkte überschreiten, was bedeutet, dass der Erhitzungsprozess eine unkontrollierbare Eigendynamik annimmt.

Bald wird in Berlin voraussichtlich die Ampel aus SPD, Grünen und FDP regieren, alle drei Parteien hängen mehr oder weniger dem Ansatz des sogenannten grünen Wachstums an. Ist grüner Kapitalismus ein Widerspruch in sich?

Die Ampel setzt auf grüne Modernisierung und technologische Maßnahmen. Grünes Wachstum ist ein Widerspruch in sich. Die kapitalistische Produktionsweise beruht auf der Akkumulation von Kapital. Stottert diese, schlittern wir in die Krise mit allen dazu gehörenden Folgen wie Arbeitslosigkeit, Verarmung etc. Der Akkumulationsprozess des Kapitals ist immer zugleich auch ein Prozess der biologischen, physikalischen und chemischen Stoffumwandlung, die ihrerseits Energie umsetzt. Diesem Zusammenhang können wir nicht entfliehen. Eine grüne Modernisierung beruht darauf, dass mit günstigen Rohstoffen eine Infrastruktur für erneuerbare Energien aufgebaut wird, was wiederum darauf fußt, dass die imperialistischen Länder die Rohstoffpreise drücken. Da winken neokoloniale Verhältnisse. Ich fürchte, die Ampel wird sowohl sozial als auch ökologisch noch schlimmer als ihre Vorgängerregierung.

Werden linke Spielarten eines Green New Deal, wie sie in den USA etwa von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernhard Sanders vertreten werden, der Dringlichkeit der Krise gerecht?

Mit den linken Varianten eines Green New Deal gehe ich insofern mit, als dass die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Anliegen der arbeitenden Klassen unter den Bedingungen der begrenzten Natur gleichermaßen in ein alternatives Programm gegossen werden müssen. Doch die Vorschläge des Green New Deal sind gewissermaßen die linke Variante der kapitalistischen Modernisierung. Sie stellen die Macht des Kapitals und den Akkumulations- und Wachstumszwang nicht in Frage. Auch die linken Green New Deals rütteln nicht am Privateigentum an strategischen Produktionseinrichtungen. Sie meinen, der Kapitalismus ließe sich sozial zähmen und ökologisch etwas verträglicher organisieren. Das ist eine Illusion. Die ökonomischen und stofflich-energetischen Spielräume hierfür existieren nicht. Green New Deals sind nicht Realpolitik, sondern irreal.

Sie sprechen in Ihrer Forschung vom Anthropozän-Kapitalismus. Was meint der Begriff?

Mit der kapitalistischen Industrialisierung und der einsetzenden Wachstumsdynamik haben die Gesellschaften zunehmend drastischer in das Erdsystem eingegriffen. So stark, dass wir mit der großen Beschleunigung nach dem Zweiten Weltkrieg letztlich in eine neue erdgeschichtliche Epoche getreten sind. Das stabile und lebensfreundliche Holozän der letzten 12.000 Jahre ist Geschichte, und wir befinden uns im Zeitalter des von Menschen dominierten Anthropozäns. Das Erdsystem wird zunehmend instabil und verändert sich rasch. Jede politische Strategie, die auf schrittweise Veränderungen setzt, ist in dieser hochgradig instabilen Situation auf Sand gebaut.

Sie vertreten in der wortwörtlichen Bedeutung radikale Positionen und fordern eine ökosozialistische Revolution. Wie sieht die aus?

Das 1,5-Grad-Ziel erfordert einen historisch einmaligen Um- und Rückbau großer Teile des gesamten produktiven Apparats unserer Gesellschaften. Das ist nur möglich, wenn wir mit dem Zwang der Akkumulation von immer mehr Kapital und der Maximierung des Profits brechen und die kapitalistische Produktionsweise überwinden – nicht nur theoretisch und abstrakt, sondern ganz konkret in unseren Alltagsforderungen.

Wir brauchen eine Gesellschaft, die weniger und anders produziert, weniger transportiert, mehr Sorge für die Menschen und die Natur trägt, den Reichtum fair teilt und gemeinsam entscheidet. Eine ökosozialistische Umwälzung der Gesellschaft zielt ab auf die demokratische gesellschaftliche Aneignung der Produktion, des Finanzsektors sowie der Transportinfrastruktur und erfordert einen massiven Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, die weitgehend gratis anzubieten ist. Nur auf diese Weise lässt sich die Gesellschaft auf demokratische Weise sozial gerecht und ökologisch verträglich organisieren. Zentrales Ziel einer ökosozialistischen Alternative ist die gerechte Teilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. Das bedeutet, dass sich die Ausgebeuteten und Unterdrückten in einem Prozess der Selbstermächtigung der wirtschaftlichen und politischen Macht der bürgerlichen Klasse erfolgreich entgegenstellen und diese beenden.

Welche Rolle spielen Bewegungen vor allem junger Menschen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion in Ihren Konzepten?

Die internationale Klimabewegung muss sich konsequent und prinzipiell überall auf die Seite der Unterdrückten stellen. Bewegungen wie Fridays for Future sind entscheidend. Sie tragen dazu bei, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verändern. Wir in den reichen Ländern müssen zusammen mit den sozialen Bewegungen anderswo auf der Welt dafür kämpfen, dass die imperialistischen Länder, das heißt, die großen Kapitalgruppen, ihre ökologische Schuld begleichen. Das heißt, sie müssen den ökologischen Umbau der armen Länder finanziell tragen. Zunächst heißt das, dass die Klimabewegung die Forderung nach einem Schuldenerlass der armen Länder aufgreifen muss. Zugleich ist wichtig, dass wir in und mit diesen Bewegungen lernen, strategisch zu denken. Wir müssen Ansätze konkreter gesellschaftlicher Gegenmacht aufbauen. Am Wohnort, im Betrieb, an der Schule, an der Uni, überall. Es gilt, eigene stabile Strukturen aufzubauen. Eine ökosozialistische Bewegung setzt sich dafür ein, dass sich diese Ansätze von Gegenmacht verbinden und schließlich in einen Prozess münden, der die bestehenden Macht- und Eigentumsstrukturen grundsätzlich und praktisch überwindet. Das ist der revolutionäre Prozess.

[1] Das Originalinterview findet sich hier.

Wenn Klima und Arbeit gegeneinander ausgespielt werden, profitiert nur das Kapital – für eine solidarische Verteilung klimaverträglicher (Industrie-) Arbeit

Bericht unserer Unterstützung der Beschäftigten bei Opel Eisenach zum dezentralen Aktionstag der IG Metall

Am 29.10 war Klima und Klasse beim bundesweiten Aktionstag der IG Metall dabei. Bei strahlender Herbstsonne unterstützten wir in Eisenach den Kampf der Kolleg_innen dafür, ihre Interessen im Umbau der Industrie nicht zu vergessen, sie vielmehr in den Mittelpunkt zu stellen. Für die Beschäftigten von Opel ist das Problem der sozialen Ignoranz der Geschäftsführung im sogenannten ‚Transformationsprozess‘ akut: bis Ende des Jahres soll die Produktion vorerst ruhen. Die Produktion des Opel Grandland X wurde nach Souchaux verlagert, wo die Arbeitsbelastung vorher schon enorm war. Die Gründe des Vorstandsvorsitzendens von Stellantis (der Mutterkonzern von Opel) Carlos Tavares sind natürlich vorgeschoben: mal ist es Corona, mal ist es der Chipmangel, mal die Umstellung auf Elektromobilität, womit er die Verschiebung von Produktionskapazitäten bis hin zur Standortschließung je nach Gusto begründet. Die ökologische Krise soll herhalten, um Arbeitsplätze abzubauen. Das mittlerweile breite Verständnis für grundsätzliche Veränderungen im Namen des Klimaschutzes wird missbraucht, um Lohnkürzungen, Verlagerung und Beschäftigungsabbau zu begründen. So hetzt man die Leute gegeneinander und gegen den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen auf.

„Solidarität, egal was auf dem Auto steht“ – sogar über Ländergrenzen hinweg

Dem entgegen standen fast 1000 Beschäftigten nicht nur aus Eisenach: Auch aus Kassel/Baunatal und Zwickau sind hunderte Menschen angereist, um ihre Solidarität zu zeigen. Besonders war der Besuch aus Frankreich. 35 Gewerkschaftsvertreter_innen der CGT (dem linken Gewerkschaftsbund in Frankreich) sind nach Eisenach gekommen, um klarzumachen: auch wenn wir von der Produktionsverlagerung scheinbar kurzfristig profitieren, diese Praxis ist nicht in unserem Interesse, sondern nur dafür da, Profite zu maximieren, auf dem Rücken der Kolleg_innen in Deutschland UND Frankreich. So stellte ein Vertreter der CGT vor dem Hintergrund, dass auch in Frankeich Werksschließungen drohen, klar:

Wir müssen uns über Ländergrenzen hinweg bei Opel in Deutschland, PSA in Frankreich oder Vauxhall in England einig sein und gemeinsam gegen die Konzerninteressen von Stellantis stellen. Es gibt kein Grund das Werk in Eisenach zu schließen, so wie es keinen Grund gibt, das Werk in Douvrin zu schließen. Für die Einheit der Arbeiter hier und an allen Standorten von Stellantis!

In ihren Redebeiträgen setzten die Kolleg_innen aus Frankreich ein starkes Zeichen der internationalen Solidarität und machten unmissverständlich klar, dass es die selbe Logik ist, unter der alle Beschäftigten leiden, egal an welchem Standort, egal in welchem Land: meme Patron, meme Combat! – Gleicher Boss! Gleicher Kampf!

Auf dem Weg zu einer sozialökologischen Transformation von unten?

Ein weiterer Höhepunkt war die Rede von Bernd Lösche, Betriebsratsvorsitzender von Opel in Eisenach. Er machte klar, dass all die Probleme, die nun vorgeschoben werden, um die Leute auf die Straße zu setzen, nicht die Fehler der Belegschaft waren, sondern Fehler des Managements. Sie müssten dann bitte auch die Zeche zahlen. Um solche rücksichtslosen Entscheidungen in Zukunft zu verhindern, mangelt es den Betriebsräten bisher aber an Mitbestimmungsmöglichkeiten. Er forderte daher eine Erweiterung der betrieblichen Rechte nach Betriebsverfassungsgesetz, mit der die Interessenvertretung frühzeitig in Standortentscheidungen einbezogen werden muss. Die IG Metall stellt eine solche Forderung an die Bundesregierung. Wir unterstützen das ausdrücklich. Aber wir sagen auch: Mitbestimmung alleine reicht nicht aus und ist nicht dasselbe, wie eine soziale, ökologische Transformation der Automobilindustrie von unten. Angestoßen und maßgeblich getragen von den Beschäftigten.

Für uns ist klar: ohne eine nachhaltig gestaltete Industrie wird auch eine gerechte, demokratische, sozialistische Gesellschaft innerhalb ökologischer Belastungsgrenzen nicht funktionieren. Es ist allerdings entscheidend, wer die Mittel der industriellen Produktion wofür anwendet, Wer über Was und Wie der Produktion entscheidet. Wir sind überzeugt, dass die momentane gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung nicht in der Lage ist, eine gerechte Gesellschaft unter Rücksichtnahme natürlicher Gesetzmäßigkeiten der Nachhaltigkeit herzustellen. Es ist und bleibt die Produktivitäts- und Profitmaximierung der Zweck jeder kapitalistischen Wirtschaft. Der Wechsel zu angeblich ‚nachhaltigen‘ Produkten eröffnet für das Kapital derzeit neue Absatzmöglichkeiten, die krisenbeutelte ‚alte Welt‘ der Automobilproduktion kann ersetzt werden, durch Elektroautos. Andere Rohstoffe, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle versprechen neuen Absatz. Dabei sollen die in der Nachkrieg-Ära gewonnene Organisations- und Mobilisierungsmacht der Arbeit_innenklasse gleich mitentsorgt werden. Die Gewerkschaften müssen sich von diesem Modell einer ‚Erneuerung‘ und ‚Entfesselung‘ der Wirtschaft distanzieren, denn die Werktätigen kommen hier in jedem Fall unter die Räder. Vielmehr ist es notwendig, über die nun allerorts um Hilfe erbetene öffentliche Hand die Produktion nicht bedingungslos zu unterstützen, sondern öffentliche Gelder und öffentliche Kontrolle und Entscheidungsmacht zu koppeln. Montanmitbestimmung oder VW-Gesetz machen es vor.

Der Kapitalismus ist absolut unvereinbar mit einer ökologischen Wirtschaftsweise und er wird die Probleme, die wir haben nicht lösen: nicht den Klimawandel und nicht die immer wiederkehrende Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Unsicherheit von abhängigen Beschäftigten, wie sich ihr Leben zukünftig gestalten wird. Wir halten es mit den französischen Genossen einerseits: Für eine Aufteilung der Arbeit unter allen! Dafür runter mit dem Arbeitstempo und runter mit der Arbeitszeit. Und den Beschäftigungsvertretern andererseits: für eine soziale UND eine ökologische Transformation, mit den Beschäftigten und gegen den blinden Profitwahn!

Glück auf!

Das ist keine Klimawahl!

Globaler Klimastreik in Jena, 24.09.21

Diesen Sonntag ist Bundestagswahl. Viele erklärten die Wahl in den letzten Monaten zur „Klimawahl“.[1] „Jetzt werden die Weichen gestellt“, „Es ist unsere letzte Chance“, „Diese Wahl entscheidet über unsere Zukunft“ – hieß es dabei häufig. Und natürlich ist das nicht gänzlich falsch: Der aktuelle Bericht des Weltklimarats zeigt, wir steuern geradewegs auf 3 °C oder sogar 4 °C Erderwärmung zu, wenn wir die CO2-Emissionen nicht sofort massiv herunterfahren. Die Waldbrände, die überschwemmten Landstriche, die zunehmend ausgelaugten Böden und die Hitzewellen der letzten Jahre waren nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Dennoch: die kommende Bundestagswahl ist keine Klimawahl!  Keines der Parteiprogramme geht weit genug, damit die 1,5 °C Grenze des Pariser Klimaabkommens noch eingehalten werden könnte.

Die Klimakatastrophe lässt sich nicht parlamentarisch abwählen

Die Wahl als einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen die Klimaerwärmung zu propagieren sendet ein völlig falsches Signal und ist keine Strategie, auf die wir setzen sollten. Wir sagen: die drohende Klimakatastrophe lässt sich nicht parlamentarisch abwählen! Wir brauchen einen gemeinsamen Kampf von Klima- und Arbeiter:innenbewegung, von Umweltaktivist:innen und Beschäftigten. Nur so haben wir noch eine Chance das schlimmste abzuwenden. Nur so können wir die Kraft aufbringen uns mit den Wirtschaftsinteressen anzulegen, die ihre Profite auf Kosten der Menschen und der Natur machen und mit ihren Geschäftsmodellen diese Welt in den Abgrund reißen.

Wir fordern einen sofortigen Umbau und partiellen Rückbau der Industrie und einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien und Katastrophenschutzmaßnahmen. Es muss ein Umdenken in allen Bereichen unseres Lebens geben: Wie wir wohnen, wie wir arbeiten und wie wir mobil sind. Wir fordern im Geiste internationaler Solidarität eine Umverteilung von finanziellen Mitteln und Technologien zugunsten der ärmeren Länder dieser Welt, vor allem im Globalen Süden. Wir müssen alle gesellschaftlichen Ressourcen auf eine solche Transformation aufwenden und aufhören mit dem ewigen „Weiter so wie bisher“. Wir sagen: der irrwitzige Zwang zur Kapitalakkumulation und zum Wirtschaftswachstum muss aufhören!

Ein Kampf gegen Windmühlen

Natürlich unterscheiden sich die Parteien stark voneinander. Während sich einige darum streiten, wie hoch eine CO2-Steuer sein soll, die v.a. sozial schwache Haushalte belasten könnte, ringen andere um das genaue Datum des Kohleausstiegs. Dabei spielen einige die Dramatik herunter – die AfD leugnet sogar den Einfluss der Menschheit auf den Klimawandel – während andere sich als pragmatische Retter inszenieren, die durch eine grüne Modernisierung den Wirtschaftsstandort BRD absichern. Das ist kein bisschen Klimaschutz!

„Hier ein bisschen an der Preisschraube gedreht, dort ein paar wirtschaftliche Anreize geschaffen und schon sind wir wieder auf der Spur“. Nein! Das Problem ist viel zu groß und die Bedrohung zu nah, als dass solche Maßnahmen reichen würden. Wir kämpfen einen Kampf gegen Windmühlen und riskieren eine Zerreißprobe für den sozialen Zusammenhalt, wenn wir denken, mit solchen Maßnahmen und einer Wahl wäre es getan. Einen grünen, wirklich nachhaltigen Kapitalismus wird es niemals geben können. Und doch wird immer wieder diese Quadratur des Kreises behauptet. Statt die Produktion endlich demokratisch und ökologisch zu gestalten, versucht man das Kaufverhalten der Konsument:innen über CO2-Steuern zu beeinflussen. Doch eine CO2-Bepreisung ist in der Praxis entweder so niedrig, dass sie keinen Effekt erzielt oder so hoch angelegt, dass sie einen Konsumverzicht erzwingt, der zwangsläufig extrem ungerecht verteilt ist und damit kaum Akzeptanz für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen schaffen wird.

Die eigentlichen, strukturellen Probleme werden dabei jedoch ausgeklammert. Kaum jemand spricht von jenen, die von der Umweltzerstörung profitieren. Dabei sind sie es, die wir im Angesicht der Umweltzerstörung und des Wachstumswahns zur Kasse bitten sollten. Denen wir die Kontrolle über die Wirtschaft nehmen müssen. Es sind Aktionär:innen, Eigentümer:innen, Banken, Fonds, Unternehmen und die Konzerne, die auf die Bremse drücken und das tote Pferd so lange reiten, bis es uns alle in den Abgrund reißt.  Wir müssen die Wirtschaft und den Profitzwang in das Zentrum unserer Kritik und unseres Handelns stellen.

Das Problem ist längst bekannt

Gerade die Fridays for Future (FFF) Bewegung hat darauf hingewiesen, dass keines der Wahlprogramme uns auf einem 1,5 °C-Niveau halten kann. Wir sollten uns keine Illusion davon machen.  Jedoch ist es kein Zufall, dass der Klimastreik gerade jetzt stattfand, so kurz vor den Wahlen. Seit mehr als 3 Jahren streiken Millionen von Schüler:innen weltweit. Es gab Demonstrationen auf allen Kontinenten. Durch FFF ist der Klimawandel, der Klimaschutz und die Klimakatastrophe ein fester Bestandteil aller öffentlichen Debatten geworden. Und gerade deshalb buhlen Parteien auch um ihre Gunst, auch wenn nichts von ihnen zu erwarten ist.

Trotzdem appellieren viele Umweltgruppen an den Staat und die Politik „endlich zu handeln“ und „Verantwortung zu übernehmen“. Doch problematisieren reicht nicht. Schon in den 1970er Jahren gab es eindringliche Warnungen vor den irreversiblen Folgen der Zerstörung der Ökosysteme. Auch damals gab es schon Umweltbewegungen, die für dieselben und ähnliche Ziele gekämpft haben wie wir heute. Der Vorschlag der herrschenden Politik war derselbe wie heute: systemimmanente Steuerungsmaßnahmen, es wurde auf den Markt gesetzt, der die ökologischen Kosten der kapitalistischen Produktion einfach einpreisen sollte und es wurde die Hoffnung auf technologische Innovationen gesetzt. Schon der berühmte Erdgipfel der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro wollte Wirtschaftswachstum und Entwicklung mit Nachhaltigkeit versöhnen. Das alles hat es schon einmal gegeben. Und währenddessen die Politik nach faulen Kompromissen suchte, schritt die kapitalistische Umweltzerstörung seither ungebremst voran. Weltweit haben die CO2-Emissionen seit 1990 um 60 Prozent zugenommen. Die Ideen, die uns heute als Heilsbringer verkauft werden, sind im Großen und Ganzen die offizielle Umweltpolitik seit über 30 Jahren. Das zeigt, die Politik und die Staaten sind gescheitert.

Wir verlieren Zeit, die wir nicht haben

Die Appelle an die kleinen Schritte und an die Versöhnung von Kapitalismus und Umwelt sind kaum weniger gefährlich als die Leugnung des menschengemachten Klimawandels. Diese Appelle blockieren uns – wir verlieren Zeit, die wir eigentlich nicht mehr haben. Wir können so viel appellieren, schreien und tanzen wie wir wollen: die Staaten und die bürgerliche Politik werden das Ruder nicht herumreißen. Sie können es nicht. Selbstverständlich ist es nicht egal, ob wir morgen oder erst 2038 aus der Kohle aussteigen. Und selbstverständlich müssen wir weiter Druck auf die Politik ausüben, um auch die kleinen Verbesserungen anzugehen. Doch machen wir uns keine Illusion von der Politik und diesem Staat, die ökologisch notwendige Transformation sozial gerecht und mit der nötigen Geschwindigkeit und Tiefe angehen zu können. Dafür müsste sich die Politik mit dem Allerheiligsten dieser Gesellschaft anlegen: dem Privateigentum an Produktionsmitteln, während wir nichts außer unsere Arbeitskraft haben, die wir zum Überleben verkaufen müssen. Die Hauptaufgabe des Staates ist es, diese Eigentumsverhältnisse zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und der Unternehmen zu steigern.

Es gibt Hoffnung

Doch können wir nichts machen? Ist die Lage aussichtslos? Nein! Wir können anfangen eine echte Gegenmacht aufzubauen, auf der Straße und in den Betrieben: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“, so die berühmte Parole der Arbeiter:innenbewegung. Der GDL-Streik hat gezeigt, man muss und kann Unternehmen da treffen, wo es weh tut: beim Profit und Gewinn. Vieles kann durchgesetzt werden, wenn man geschlossen zusammensteht und kämpft. Auch der Kampf zur Erhaltung des BOSCH-Werks in Berg am Laim, bei München um die Umstellung auf klimafreundliche Produkte macht es vor: als Klimaaktivist:innen müssen wir gemeinsam mit Beschäftigten kämpfen, gegen den Klimawandel und für gute umweltfreundliche Arbeitsplätze. Dafür müssen wir uns mit den Reichen und den Mächtigen anlegen. Wir erklären uns solidarisch mit der Initiative Klimaschutz und Klassenkampf, mit den Bosch-Beschäftigten in Berg am Laim und den Klimaaktivist:innen: Ihr seid nicht alleine, eure Forderungen sind gerechtfertigt und ihr macht uns Mut!

Eine starke Allianz zwischen Klima- und Arbeiter:innenbewegung für den Systemwandel

Nur eine Zusammenführung der Klima- und Arbeiter:innenbewegung ermöglicht es uns, das Problem an der Wurzel zu packen, breite demokratische Zustimmung unter allen Beschäftigten zu erreichen und die Macht aufzubringen, die eine echte nachhaltige und soziale Gesellschaft gegen die Bremser, die Konzerne und die Sonntagsredner:innen  auch durchzusetzen. Dabei müssen wir behutsam vorgehen, damit wir eine nachhaltige und starke Allianz schaffen, statt uns nur auf symbolische Großaktionen zu beschränken.

Das bedeutet, dass wir für eine bedürfnisorientierte und gegen eine profitgetriebene Produktion, für nachhaltige und gut bezahlte Arbeitsplätze und für umfassende Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz kämpfen müssen – im Interesse der Natur und der Arbeiter:innen weltweit. Lasst uns die Parole System Change not Climate Change ernst nehmen und sie von einem Appell zu einer Bewegung werden zu lassen.


[1] Diesen Blogbeitrag haben wir in leicht gekürzter Form am 24.09.21 auf dem globalen Klimastreik in Jena gehalten.

Das Schreckensszenario Erderwärmung über 2°C ist wahrscheinlich neue Realität

Ein Kommentar zum aktuellen IPCC-Bericht

Im August wurde der erste Teil des 6. IPCC-Berichts zur Entwicklung des Klimawandels für politische Entscheidungsträger*innen veröffentlicht. Darin zeigt sich: die ökologische Krise ist dramatischer als bisher von der herrschenden Klasse der Anschein erweckt wurde. Es bleibt nur ein kleines Zeitfenster, um die Krise noch einzugrenzen. Hoffnung gibt nur der gemeinsame Kampf der Klimabewegung und Arbeiter*innen.

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Die Klimakrise hat bereits begonnen

Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, deutsch: Weltklimarat) hat im Sommer diesen Jahres den ersten Teil seines 6. Berichts zur Entwicklung der globalen Erderwärmung veröffentlicht.1 Das in den 1980er Jahren gegründete Gremium ist unter anderem Teil des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Die Naturwissenschaftler*innen des IPCC sollen den Klimawandel erforschen, um bevorstehende Risiken und mögliche Handlungskorridore aufzuzeigen. Die veröffentlichten Ergebnisse der letzten fünf Berichte haben bei der herrschenden Klasse aber bisher kaum ein Umsteuern bewirkt. Wirtschaftseliten und Politiker*innen mächtiger Staaten üben im Interesse des Kapitals immer wieder Druck auf das IPCC aus, damit die Dramatik der bevorstehenden ökologischen Krise, nun ja – weniger dramatisch erscheint.2 Hier zeigt sich mal wieder: für die herrschende Klasse muss am besten alles bleiben wie es ist. So ist zum Beispiel die Autoindustrie nicht wirklich an einer ökologisch nachhaltigen (und sozial gerechten) Mobilität interessiert – tatsächlich ist der Vorstoß Richtung E-Mobilität das Ergebnis eines Kampfes um Marktanteile zum Schutz der eigenen Investitionen. Neben abstrakten Allgemeinplätzen guter Absichten, die niemandem weh tun und ebenso wenig bewirken, werden zum Teil nur moderate Anpassungsmaßnahmen konkret gemacht. Dabei steuern wir in rasantem Tempo auf einen Abgrund zu, der nicht nur zu einer unwiderruflichen ökologischen Zerstörung der Ökosysteme, zu vermehrten Hungersnöten und (Trink-)Wasserknappheit sowie immer mehr Armut innerhalb der Arbeiter*innenklasse führt (insbesondere im Globalen Süden), sondern auch zwangsläufig gewaltsame Verteilungskämpfe nach sich ziehen wird. Um die Krise zumindest noch eingrenzen zu können, bedarf es einer ökosozialistischen Alternative zum weiter-so. Doch blicken wir zunächst auf die wichtigsten Punkte des aktuellen Berichts.

1,2,3 oder sogar 4°C?

Der Bericht macht erneut deutlich, dass der gegenwärtige Klimawandel menschengemacht ist. Verantwortlich ist vor allem die Art und Weise wie wir produzieren und konsumieren bzw. uns gezwungen sehen zu konsumieren. Dass die globalen Ökosysteme damit zwangsläufig immer wieder an Grenzen stoßen, hindert die herrschende Kapitalist*innenklasse, neben dem ein oder anderen grünen Mäntelchen, nicht daran weiter zu machen wie bisher – mit katastrophalen Folgen für die Erde.

Zunehmende Extremwetterereignisse, wie wir sie die letzten Jahre in Form von Waldbränden, extremen Hitze- und Trockenperioden oder Überflutungen beobachten konnten, ebenso wie das rasant voranschreitende Artensterben, das Gletscherschmelzen und die allmähliche Erschöpfung von ehemals fruchtbaren Böden verdeutlichen: wir befinden uns mitten in der Krise. Die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler*innen zeigen bei genauerer Betrachtung, dass das Ziel, wie es im Pariser Klimaabkommen formuliert wurde, die Erderwärmung auf 1,5°C (bzw. 2°C) zu begrenzen, kaum noch eingehalten werden kann. Sollte der Ausstoß von Treibhausgasen nicht sofort drastisch sinken, könnten wir bereits 2030 mit einer Erwärmung von mindestens 1,5°C rechnen. Es scheint, als wäre die ökologische Krise zu weit fortgeschritten und die Maßnahmen, die die Staaten gegenwärtig bereit sind zu ergreifen zu gering, um dieses Szenario noch abwenden zu können. Deutlich realistischer ist eine Erwärmung auf 3 bzw. 4°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Dabei handelt es sich aber nicht einfach um ein paar Grad mehr, denn jedes Grad löst teilweise noch unvorhersehbaren Dominoeffekte aus. Es verlängert und verstärkt etwa Dürre- und Regen- bzw. Eisperioden3, was sich wiederum negativ auf die Nahrungsmittelproduktion auswirken und Hungersnöte hervorrufen kann, woraus wiederum Migrationswellen folgen können, durch die der Druck auf die kleiner werdenden landwirtschaftlich tauglichen Flächen steigt, usw. Während an einigen Orten Temperaturen, die im Sommer gut 40°C erreichen können, zur Normalität werden, zerstören Überflutungen und starke Stürme in anderen Regionen der Erde die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Bereits bei einer Erderwärmung von 1,5°C besteht eine hohe Gefahr, dass etwa 11 % der Landfläche dauerhaft überschwemmt wird. Bei (deutlich realistischeren) 2°C sind es bereits 21 %.

Der Bericht zeigt auch: viele Veränderungen, die auf vergangene und gegenwärtige Treibhausgasemissionen zurückgehen, sind für Jahrhunderte bis Jahrtausende nicht mehr rückgängig zu machen. Zudem wird klar, dass alle Regionen dieser Erde von den bevorstehenden Veränderungen betroffen sind. Um die Klimaerwärmung zumindest begrenzen zu können, muss der CO2-Ausstoß, ebenso wie der Ausstoß anderer Treibhausgase, drastisch gesenkt werden. Nicht nur scheiterte die politische Regulierung des Kapitalismus trotz jahrzehntelanger Anstrengungen bislang faktisch daran, das Wirtschaftswachstum von Umweltzerstörung, CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Das Problem ist dabei, dass der notwendige Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, viel schneller und umfangreicher von statten gehen muss, als dass grüne Reformen und Marktlösungen uns ansatzweise vor der Katastrophe bewahren könnten – zumal sie darüber hinaus in aller Regel sozial äußerst ungerecht sind.

Augenwischerei auf Kosten von Mensch und Natur

Mindestens ebenso schlimm wie die Erkenntnisse des IPCC ist also der Fakt, dass die politischen Schlussfolgerungen auf Druck des Kapitals und der politischen Eliten immer wieder geschönt und damit die Effekte des Klimawandels kleingeredet wurden. Von einer Gruppe, die sich Scientist Rebellion (deutsch: Rebellion der Wissenschaftler*innen) nennt, wurde deshalb nun der dritte, bisher noch unveröffentlichte und unverfälschte Teil des aktuellen IPCC-Berichts geleaked.4 Dieser Teil widmet sich üblicherweise den politischen Handlungsoptionen, die aus den Erkenntnissen der ersten beiden Teile hervorgehen. Zwar ist auch diese Version des IPCC nicht gleichzusetzen mit einer ökosozialistischen Klassenpolitik,5 dennoch kommen darin selbst tendenziell politisch neutrale Wissenschaftler*innen zu dem Schluss, dass es prinzipiell eines grundlegenden Wandels bedarf. Würde man die darin formulierten Erkenntnisse und Forderungen wirklich ernst nehmen, hieße das unter anderem eine Abkehr vom ökonomischen Wachstumszwang, einen sofortigen Umstieg auf erneuerbare Energien sowie ein drastisches Umlenken in der bestehenden Beschäftigungs- und Wirtschaftsstruktur. Statt individuelles Handeln, wie es häufig in konsumkritischen Ansätzen überhöht wird, müsste jedoch kollektiver gedacht werden als es auch die Wissenschaftler*innen des IPCC tun.

In dem Bericht wird betont, dass es vor allem arme Länder sind, die besonders hart vom Klimawandel getroffen werden. Diese Ungleichheit zeigt sich auch in dem Zusammenhang von Einkommensverteilung und ökologischem Fußabdruck der Weltbevölkerung:

„Die reichsten 10% der Weltbevölkerung sind für 36 bis 45% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, während die ärmsten 10 % der Welt etwa 3 bis 5 % beitragen.“

Wird nicht sofort umfassend gehandelt, werden sich die ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen weiter zuspitzen. Deshalb dürfen wir uns von der Augenwischerei der herrschenden Klasse nicht blenden lassen. Stattdessen fordern wir eine umfassende sozial-ökologische Transformation.

Retten, was zu retten geht

Der Kapitalismus und seine Eigenschaft Mensch und Natur bis zur Erschöpfung auszubeuten, verschließt die Augen vor seiner eigenen Zerstörungswut. Für die herrschende Klasse geht es vor allem um eins – Profitmaximierung. Wir können uns ebenso wenig auf die Sonntagsreden der etablierten Politik wie auf Appelle an die vermeintliche Vernunft des Staates noch auf den Reformwillen der Unternehmen verlassen. Wir müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen und eine Zukunft gegen die kapitalistische Elite erkämpfen. Um die Notbremse noch ziehen zu können, muss es einen grundlegenden Systemwandel geben, der nur im gemeinsamen Kampf von Klimabewegung und Arbeiter*innen gegen Profitstreben und Wachstumszwang erreicht werden kann. Nur eine solche Allianz ist in der Lage, die Voraussetzungen zur Abwendung der globalen Menschheitskrise aufzubauen: eine neue Wirtschaftsweise, die darauf zielt, die Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen unter ökologischen Gesichtspunkten zu verbessern, indem sie weitestgehend zum Erhalt der noch funktionierenden Ökosysteme sowie der natürlichen Lebensräume und -grundlagen beiträgt. Dies darf nicht ohne oder sogar gegen die Interessen der Arbeiter*innenklasse passieren, sondern muss mit ihr zusammen verwirklicht werden, da eine autoritär durchgesetzte ökologische Politik in ihr Gegenteil umschlagen wird. Wichtiger als die Kritik an Lebensstilen ist dabei die Frage nach denjenigen, die diese ermöglichen und davon profitieren. Die beherrschten Klassen besitzen derzeit keine Macht darüber, wie der Stoffwechsel mit der Natur organisiert wird. Das bedeutet auch, dass wir für eine bedürfnisorientierte und damit gegen eine profitgetriebene Produktion, für nachhaltige und gut bezahlte Arbeitsplätze sowie für umfassende Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz kämpfen müssen – im Interesse der Natur und der Arbeiter*innen weltweit. Strategien der Priorisierung entweder des Kampfes gegen die Ausbeutung der Natur oder der Arbeiter*innenklasse werden von beiden Seiten erfolglos bleiben. Stattdessen braucht es einen Wandel der Eigentumsverhältnisse, eine internationale Organisierung der Arbeiter*innenklasse und den Schulterschluss zwischen Klima- und Arbeiter*innenbewegung. Nur so können wir der Klimakatastrophe noch begegnen.

1 https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/#SPM

2 https://docs.wixstatic.com/ugd/148cb0_a0d7c18a1bf64e698a9c8c8f18a42889.pdf

3 https://www.ipcc.ch/2021/08/09/ar6-wg1-20210809-pr/

4 https://scientistrebellion.com/we-leaked-the-upcoming-ipcc-report/

5 Für eine ausführliche ökosozialistische Diskussion des Reports siehe: https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2021/09/01/der-geleakte-ipcc-bericht/

1. Mai!

Am 1. Mai sind wir von Klima und Klasse zusammen mit den Beschäftigten und den DGB Gewerkschaften auf die Straße gegangen und haben unsere Unterstützung für gute, tariflich abgesicherte Arbeit und Entlohnung zum Ausdruck gebracht. In mehreren Redebeiträgen haben die Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege, der Industrie und dem Bildungssektor ihre Arbeitsbedingungen dargestellt. Bei aller Unterschiedlichkeit der Problemlagen wurde klar, dass der Zugriff des Kapitals auf erkämpfte Mitbestimmungsrechte und soziale Sicherungssysteme zunimmt und die Kosten der Krise aller scheinheiligen Respektbekundungen zum Trotz auf die Beschäftigten abgeladen wird.

Wir konnten mit Passanten ins Gespräch kommen und haben für unsere Perspektive auf die Lösung von ökologischer und sozialer Krise geworben. Wir diskutierten dabei die kapitalistischen Ursachen der Umweltkrise und argumentierten, warum eine Kritik am individuellen Kaufverhalten und die Hoffnung auf ‚grüne Märkte‘ für falsch und unsozial halten.

In unserem Redebeitrag betonten wir eine radikale Verlagerung der Verfügungsrechte über die Produktionsmittel in Beschäftigtenhand als notwendige Grundvoraussetzung für eine sinnvoll planbare Ökonomie, die den Reproduktionsbedürfnissen von Mensch und Natur entspricht und bekamen dafür viel Applaus.

Wir sehen uns bald wieder – auf der Straße, bei der Demo, beim betrieblichen und beim Klimastreik

Klima und Klasse